Körperverletzung und Tötung im Straßenverkehr

Fahrlässige Körperverletzung und Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr

Im Jahr 2015 wurden in Deutschland insgesamt 393.432 Menschen bei Verkehrsunfällen verletzt. Weitere 3.459 Menschen wurden hierbei getötet. Wie sind solche Unfälle verkehrsrechtlich einzuordnen? Welche Folgen kann es haben, wenn bei einem Unfall ein Verkehrsteilnehmer verletzt oder gar getötet wird?

In diesem Artikel finden Sie alles Wichtige zum Thema Körperverletzung und Tötung im Straßenverkehr.

Das Wichtigste

  • Eine fahrlässige Körperverletzung oder eine fahrlässige Tötung setzen voraus, dass
    • durch eine pflichtwidrige Handlung
    • eine andere Person ursächlich verletzt oder getötet wurde und
    • dies objektiv und subjektiv vorhersehbar und
    • vermeidbar war.
  • Eine Strafbarkeit liegt nicht vor bei ganz unerheblichen Verletzungen, wie Hautabschürfungen oder leichten Prellungen.
  • Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Verkehrsteilnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.
  • In allererster Linie sind hier die Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) als Maßstab heranzuziehen. Verstöße hiergegen begründen nahezu immer eine Pflichtwidrigkeit.
  • Als Korrektiv wurde der Vertrauensgrundsatz gebildet. Demnach muss ein Verkehrsteilnehmer, der sich selbst an die Verkehrsregeln hält, nicht mit erheblichen Verstößen anderer rechnen.
  • Ein Unfall ist unvermeidbar, wenn er auch bei ordnungsgemäßen Verhalten eingetreten wäre.
  • Auch ein erhebliches eigenes Mitverschulden des Verletzten, etwa ein erheblichen Verstoß gegen Vorschriften der StVO, kann den Strafbarkeitsvorwurf wegfallen lassen.
  • Bei völlig außerhalb des Erwartbarem befindlichen Unfallverläufen fehlt es an der subjektiven Vorhersehbarkeit, so dass auch ein solcher Unfall unvermeidbar war.
  • Geringfügige Fahrlässigkeitsvorwürfe werden von der Staatsanwaltschaft in der Regel eingestellt und an die Ordnungsbehörde weitergeleitet.
  • In schweren Fällen von fahrlässiger Korperverletzung oder fahrlässiger Tötung ist eine Geldstrafe zu erwarten.
  • Die fahrlässige Körperverletzung wird nur auf Strafantrag verfolgt.

Was bedeutet Fahrlässigkeit?

Vorsätzliche Verletzungen oder Tötungen stellen im Straßenverkehr eine nur ganz untergeordnete Erscheinung dar. Im Straßenverkehr werden Menschen vielmehr durch Fahrlässigkeit anderer Verkehrsteilnehmer verletzt oder getötet.

Grundsätzlich kann jeder Verkehrsteilnehmer in die Situation geraten, einen anderen zu verletzen oder gar zu töten. Nicht in jedem Fall folgt hierauf indes eine Verurteilung durch ein Strafgericht.

Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist ein vorwerfbar fahrlässiges Verhalten des Unfallverursachers.

Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Verkehrsteilnehmer

  • Objektiv pflichtwidrig handelt,
  • ursächlich hierdurch ein Anderer verletzt oder getötet wurde und
  • dies für den Verkehrsteilnehmer objektiv und subjektiv vorhersehbar und
  • objektiv und subjektiv vermeidbar war.

Eine Bestrafung kann nicht erfolgen, wenn die Tathandlung für den Verkehrsteilnehmer nicht steuerbar war. Dann lag kein menschliches Handeln vor.

Das ist aber nur in seltenen Ausnahmefällen anzunehmen, etwa bei einer reinen Reflexbewegung, die nicht willentlich steuerbar ist.

Unter Reflexhandlungen fallen aber keine lediglich eingeübten und daher spontan ausgeführten Handlungen, wie das Verjagen eines Insekts oder Lenk- und Schaltvorgänge. Diese sind nämlich grundsätzlich steuerbar.

Körperverletzung oder Tötung

Durch die Tathandlung muss ein anderer Mensch verletzt oder getötet worden sein.

Das Gesetz spricht von körperlicher Misshandlung oder einer Gesundheitsbeeinträchtigung.

Körperliche Misshandlung liegt vor, wenn das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird.

Nur sehr geringfügige Verletzungen wie Prellungen, Hautabschürfungen oder Beschmutzungen des Körpers sind also keine körperlichen Misshandlungen und führen daher nicht zu einer Strafbarkeit.

Eine Gesundheitsbeeinträchtigung liegt vor, wenn ein pathologischer, das heißt krankhafter Zustand hervorgerufen oder aufrechterhalten wird.

Hierunter fallen also alle objektiv feststellbaren und medizinisch behandlungsbedürftigen Unfallfolgen. Diese können grundsätzlich auch psychischen Ursprungs sein; dann müssen sie sich aber in objektivierbarer Weise körperlich bemerkbar machen.

Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel über das Schmerzensgeld.

Eine Strafbarkeit kommt auch in Betracht, wenn ein Unfallbeteiliger den Tod findet.

Pflichtverletzung

Der zentrale Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung liegt in der Pflichtverletzung des Täters.

Diese ist anzunehmen, wenn der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und daher ein objektiv vorhersehbares Unfallereignis verursacht hat.

Die erforderliche Sorgfalt bemisst sich danach, wie sich ein besonnener und gewissenhafter Fahrer in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden verhalten hätte.

Der Verkehrsteilnehmer muss sich aber ein persönliches Sonderwissen zurechnen lassen.

Praxisbeispiel:

Wer beispielsweise von einer unübersichtlichen Einfahrt oder sonstigen Gefahrenstelle Kenntnis hat, muss dort besonders vorsichtig fahren, auch wenn die Gefahrenstelle einem Ortsunkundigen nicht auffallen würde.

Straßenverkehrsordnung

Hierbei kommt natürlich den Verkehrsregeln der Straßenverkehrsordnung eine besondere Bedeutung zu.

Ein Verstoß gegen diese Verhaltensnormen führt auch in der Regel zu einem Fahrlässigkeitsvorwurf.

So muss stets so gefahren werden, dass man sein Fahrzeug innerhalb der übersehbaren Strecke und im übrigen hinter einem vorausfahrenden Fahrzeug zum Stehen bringen kann, auch wenn dieses Fahrzeug stark bremst.

Es ist also nicht stets die zulässige Höchstgeschwindigkeit maßgebend, sondern die übersehbare Fahrstrecke. Bei schlechten Sichtverhältnissen wie Nebel, Dunkelheit oder starkem Regen ist daher eine deutlich geringere Geschwindigkeit einzuhalten.

Eine weitere allgemeine Sorgfaltspflicht besteht darin, sich vor jedem Fahrtantritt davon zu überzeugen, dass sich das Fahrzeug in einem verkehrssicheren Zustand befindet.

Andere Sorgfaltspflichten

Sorgfaltspflichten können sich aber auch aus Umständen ergeben, die nicht Gegenstand der StVO sind.

So können Gastwirte oder auch Private verpflichtet sein, einen erkennbar Fahruntüchtigen vom Führen eines Kraftfahrzeuges abzuhalten, etwa indem sie ihm die Fahrzeugschlüssel abnehmen.

Vertrauensgrundsatz

Um einer Ausuferung der Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr entgegenzuwirken, hat die Rechtsprechung den sogenannten Vertrauensgrundsatz entwickelt.

Demnach darf ein Verkehrsteilnehmer, der sich selbst regelkonform verhält, darauf vertrauen, dass andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls nicht gegen Verkehrsregeln verstoßen, solange nichts anderes erkennbar ist. Es muss mit kleineren, erfahrungsgemäß häufiger vorkommenden, Verstößen, nicht aber mit erheblichen Pflichtverletzungen anderer Verkehrsteilnehmer gerechnet werden.

Praxisbeispiel:

Ein Rotlichtverstoß eines anderen würde beispielsweise einen derart erheblichen Verstoß darstellen, mit dem ein Verkehrsteilnehmer nicht zu rechnen braucht.

Demgegenüber ist mit einer Unachtsamkeit des Wartepflichtigen an Vorfahrtstraßen zu rechnen, so dass eine angepasste Fahrweise eingehalten werden muss (kein Erzwingen der Vorfahrt).

Auch der Vertrauensgrundsatz wird aus der Sicht eines verständigen und besonnenen Fahrzeugführers betrachtet.

Auf den Vertrauensgrundsatz kann sich also nicht berufen, wer durch ein eigenes Fehlverhalten mitursächlich für einen Unfall war.

Auch bei erkennbar „verkehrsschwachen“ Personen, wie kleinen Kindern, älteren Menschen oder sichtlich alkoholisierten Personen darf sich der Fahrer nicht darauf verlassen, dass sich diese schon verkehrsgerecht verhalten werden.

In unübersichtlichen Verkehrslagen, wie zum Beispiel größeren Baustellen mit Baustellenverkehr ist der Vertrauensgrundsatz nicht anzuwenden.

Vermeidbarkeit

Ein Unfallereignis kann für einen Unfallbeteiligten keine Strafbarkeit begründen, wenn der Unfall für diesen unvermeidbar war.

Wäre das Unfallereignis auch bei rechtmäßigem Verhalten des Verkehrsteilnehmers eingetreten, kann ihm dieses nicht zur Last gelegt werden.

Hierbei reicht es nach dem in-dubio-pro-reo-Grundatz aus, wenn es konkrete Tatsachen als möglich erscheinen lassen, dass der Unfall für den Verkehrsteilnehmer unvermeidbar war.

Hierbei ist aber immer auf die konkrete Gefahrensituation abzustellen.

Es wäre besispielweise verfehlt, dem Verkehrsteilnehmer eine Verletzung durch einen, von ihm verursachten Unfall zuzurechnen, bloß weil dieser zu schnell gefahren ist und sich daher „eigentlich“ gar nicht an dieser Stelle hätte befinden sollen. War das Unfallereignis objektiv unvermeidbar, steht dies auch in diesem Falle einer Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung entgegen.

Bei einem alkoholisierten Fahrer kommt es nicht darauf an, ob dieser den Unfall im nüchternen Zustand hätte vermeiden können, sondern ob der Unfall bei einer der herabgesetzten Reaktionsfähigkeit des Verkehrsteilnehmer angepassten Geschwindigkeit zu vermeiden gewesen wäre.

In Zweifelsfällen kann ein Sachverständiger die Vermeidbarkeit prüfen.

Auch ein erheblich verkehrswidriges Verhalten eines anderen Unfallbeteiligten kann einer Strafbarkeit entgegenstehen. Dies gilt allerdings nicht bei nur geringfügigen Regelverstößen oder wenn feststeht, dass der andere Beteiligte auch bei eigener verkehrsgerechter Verhaltensweise verletzt worden wäre.

Davon zu unterscheiden ist allerdings die Situation, dass mehrere Beteiligte für das Unfallereignis ursächlich gewesen sein könnten. Wäre diesselbe Verletzung von einem anderen Verkehrsteilnehmer verursacht worden, wenn man sich den Täter wegdenkt, bleibt es bei der Strafbarkeit. Wäre bei einem Massenunfall die Verletzung nicht durch den unmittelbar hinter dem Verletzten fahrenden Verkehrsteilnehmer, sondern von dem nächsten Fahrer verursacht worden, entlastet dies den Täter nicht.

Der Unfall muss aber auch für den Verkehrsteilnehmer subjektiv vorhersehbar gewesen sein, um eine Fahrlässigkeit zu begründen. Vollkommen ungewöhnliche Geschehensverläufe, die nach der Lebenserfahrung keinesfalls zu erwarten waren, schließen eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung aus.

Welche Strafe habe ich zu erwarten?

Im beständig dichter werdenden Straßenverkehr kommt es naturgemäß häufig zu Unfällen, bei denen Personen verletzt oder gar getötet werden.

Kommt es zu so einem Unfall, muss die Staatsanwaltschaft zunächst ein Ermittlungsverfahren einleiten. Wenn Sie also einen Beschuldigtenfragebogen erhalten, bedeutet dies noch nicht, dass Sie zwingend eine Strafe erhalten werden.

In vielen Fällen geringfügiger Fahrlässigkeit geht die Staatsanwaltschaft nämlich so vor, dass sie die strafrechtliche Verfolgung einstellt und den Sachverhalt im übrigen der zuständigen Ordnungsbehörde übergibt. Diese ahndet den Unfall dann nach den Vorschriften der StVO durch Erlass eines Bußgeldes.

Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel über Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Bei schwerwiegenderer Fahrlässigkeit kann es aber zu einem Strafbefehl oder einer Verurteilung kommen.

Je nach Schwere des Tatvorwurfs und der sonstigen Strafzumessungsregeln ist hier mit einer Geldstrafe in Höhe von circa 30 Tagessätzen zu rechnen.

Strafantrag

Die fahrlässige Körperverletzung wird grundsätzlich nur auf Antrag des Verletzten verfolgt.

Der Antrag muss binnen einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis von Tat und Täter gestellt werden.

Der Antrag kann bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung wieder zurückgenommen werden.

Praxisbeispiel:

In der Praxis erhalten Sie als Geschädigter einen Zeugenfragebogen, in dem Sie gebeten werden, den Sachverhalt kurz zu schildern. Gleichzeitig werden Sie gefragt, ob Sie einen Strafantrag stellen wollen oder nicht.

Eine Empfehlung, ob ein Strafantrag sinnvoll ist oder nicht, lässt sich nicht abgeben. Auf die zivilrechtliche Schadensersatz-Abwicklung hat die Stellung eines Strafantrages keine Auswirkung.

Die Staatsanwaltschaft verfolgt den Sachverhalt nur, wenn sie ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung für gegeben hält.

In den Verwaltungsvorschriften zu Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren heißt es hierzu, dass der Grundsatz, bei einer im Straßenverkehr begangenen Körperverletzung das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung stets oder in der Regel zu bejahen, nicht besteht.

Es müsse vielmehr im Einzelfall entschieden werden, wobei auf

  • Maß der Pflichtwidrigkeit,
  • der vorangegangene Genuss von Alkohol oder anderer berauschender Mittel,
  • die Tatfolgen für den Verletzten und den Täter,
  • einschlägige Vorbelastungen des Täters sowie
  • ein Mitverschulden des Verletzten

abzustellen sei.

In der Regel wird die Straftat daher nur auf Antrag von der Staatsanwaltschaft verfolgt.

Für die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens muss von der Staatsanwaltschaft ebenfalls ein besonderes öffentliches Interesse bejaht werden.

Zu einer Anklage wird es also nur im Ausnahmefall kommen, wenn besondere Umstände, insbesondere eine Alkoholfahrt, vorliegen.

Expertentipp:

Flattert ein Vernehmungsbogen als Beschuldigter ins Haus, ist die Aufregung groß. Die Chancen, dass das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt und gegebenenfalls an die Ordnungsbehörde abgegeben werden, stehen indes nicht schlecht.

Es ist aber nicht eben trivial, sich durch das unübersichtliche Gebiet der fahrlässigen Körperverletzung beziehungsweise der fahrlässigen Tötung zu manövrieren.

Werden sämtliche entlastenden Tatumstände im passenden Sinnzusammenhang der Staatsanwaltschaft vorgetragen, wird eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens immer wahrscheinlicher.

Nicht zuletzt wegen der trotz allem im Raum stehenden Geldstrafe, die nicht selten mehr als ein Monatsgehalt betragen kann, ist es dringend anzuraten, sich in dem Strafverfahren von einer rechtskundigen Person beraten und vertreten zu lassen.

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