Ist es erlaubt, bei Stau auszusteigen?
Es kommt darauf an, wo es sich staut. Die Straßenverkehrsordnung hält hierfür klare Regeln bereit.
Stau auf normalen Straßen
Stauen sich die Autos auf normaler Straße (Straße, die laut StVO nicht als Autobahn oder Kraftfahrstraße ausgewiesen ist), müssen Sie sich beim Ein- und Aussteigen so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Zugleich müssen Sie als Fahrzeugführer alle nötigen Maßnahmen treffen, um Unfälle oder Verkehrsstörungen zu vermeiden (§ 14 StVO „Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen“).
Praxisbeispiel: Sie stehen auf einer Landstraße. Es spricht nichts dagegen, wenn Sie kurz aussteigen und den Hund auf dem Seitenstreifen sein Geschäft erledigen zu lassen. Dabei ist darauf zu achten, dass Sie und der Hund nicht den Gegenverkehr gefährden und Sie den rückwärtigen Verkehr nicht aufhalten, wenn es vorwärts geht. Ein besonderes Risiko zeigt sich oft, wenn ein rechts vorbeifahrender Radfahrer gegen die gerade geöffnete Autotür fährt. Besser wäre natürlich, wenn Sie die Fahrbahn verlassen und eine Haltebucht oder einen Parkplatz aufsuchen und jedes, wie auch immer geartetes Risiko vermeiden.
Stau auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen
Autobahnen und Kraftfahrstraßen unterliegen besonderen Auflagen. Im Interesse eines fließenden und risikolosen Verkehrs ist es unumgänglich, klare Regeln aufzustellen, die normalerweise keine Ausnahmen erlauben.
Was steht in der StVO?
Autobahnen sind im Katalog der Verkehrszeichen (Anlage VzKat zur StVO) mit dem Zeichen 330.1 (rechteckiges Schiff mit weißer Fahrbahn auf blauem Untergrund) und Kraftfahrstraßen mit dem Zeichen 331.1 (mit weißem Auto auf blauem Untergrund) gekennzeichnet (§ 18 StVO).
In § 18 Abs. IX StVO heißt es: „Zu Fuß Gehende dürfen Autobahnen nicht betreten. Kraftfahrstraßen dürfen nur an Kreuzungen, Einmündungen oder sonstigen dafür vorgesehenen Stellen überschritten werden. Sonst ist jedes Betreten verboten“
„Zu Fuß Gehende“ sind Fußgänger, aber eben auch Autofahrer, die im Stau im Auto sitzen und das Fahrzeug verlassen. Damit ist es klipp und klar verboten, auf der Autobahn zu laufen. Außerdem ist Wenden und Rückwärtsfahren sowie das Halten, auch auf Seitenstreifen, verboten.
Warum unterliegen Autobahnen besonderen Regeln?
Auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen ist es nicht erlaubt, sich mal eben die Füße zu vertreten, noch eine schnelle Zigarette zu rauchen oder das Kind zu wickeln oder den Hund Gassi gehen zu lassen. Das Gesetz kennt keine Ausnahmen. Dafür gibt es gute und überzeugende Gründe:
- Als Fahrzeugführer müssen Sie jederzeit in der Lage sein, weiterzufahren oder auf eine Gefahrensituation zu reagieren.
- Verlassen Sie das Fahrzeug, setzen Sie sich auf der Fahrbahn einem ungleich höheren Risiko aus, da Sie von vorbeifahrenden Fahrzeugen erfasst werden können, sobald es im Stau vorangeht.
- Auch besteht das Risiko, dass Sie Rettungskräfte behindern.
- Steigen Sie aus, werden Sie es den anderen Fahrzeuginsassen kaum verwehren können, gleichfalls das Fahrzeug zu verlassen.
- Als Fahrzeugführer sind Sie für die Verkehrssituation verantwortlich und wären wahrscheinlich überfordert, alle Fahrzeuginsassen, vor allem kleinere Kinder oder Haustiere, zu beaufsichtigen.
Nicht zuletzt ist das Aussteigeverbot im Hinblick auf alle Verkehrsteilnehmer, die im Stau stehen, zu verstehen. Würde eine Vielzahl von Fahrern und Insassen aus dem Auto aussteigen, würde es noch viel länger dauern, bis sich der Stau auflöst. Schließlich müssten alle, die ausgestiegen sind, wieder einsteigen. Dass damit Verzögerungen verbunden sind, liegt auf der Hand.
Was macht man, wenn man in einer Vollsperrung bei Hitze steht?
Sengende Hitze macht manches Auto zur Sauna. Trotzdem ist es, wenn man die maßgebliche Vorschrift des § 18 Abs. IX StVO streng auslegt, nicht gestattet, aus dem Auto auszusteigen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn Sie eine Unfallstelle absichern müssen oder einem Unfallopfer Hilfe leisten. Hat der Stau seine Ursache in einer Vollsperrung der Fahrbahn, wird die Polizei bei einer längeren Störung sicherlich nachsichtig sein, wenn Sie das Fahrzeug verlassen. Aber auch dann gilt, dass Sie auf einer Autobahn oder Kraftfahrstraße keine ausgiebigen Spaziergänge unternehmen und immer in der Nähe Ihres Fahrzeuges bleiben.
Ist rechts überholen im Stau erlaubt?
Sie dürfen auf der Autobahn oder der Kraftfahrstraße rechts überholen, wenn der Verkehr auf dem linken Fahrstreifen steht oder mit maximal 60 km/h fährt. Bei stehendem Verkehr dürfen Sie rechts mit maximal 20 km/h vorbeifahren. Ist der Verkehr auf dem linken Fahrstreifen in Bewegung, darf rechts mit einer Differenzgeschwindigkeit von höchstens 20 km/h überholt werden. Die Fahrzeuge auf der rechten Spur dürfen dann also höchstens 80 km/h schnell fahren. Bei Zuwiderhandlungen, riskieren Sie eine Geldbuße von 100 Euro sowie einen Punkt in Flensburg.
Darf man im Stau den Standstreifen nutzen?
Standstreifen sind für Rettungsfahrzeuge reserviert. Nutzen Sie den Standstreifen bei Stau, um den nächsten Rastplatz oder die nächste Autobahnausfahrt schneller zu erreichen, riskieren Sie 75 Euro Bußgeld und einen Punkt. Eine Ausnahme besteht nur, wenn Verkehrszeichen die Nutzung des Standstreifens ausdrücklich erlauben. Sie dürfen auch nicht grundlos auf dem Standstreifen anhalten, es sei denn, Sie haben eine Panne und können nicht weiterfahren.
Was macht man, wenn man im Stau auf die Toilette muss?
Auch wenn Sie ein sogenanntes „zwingendes Bedürfnis“ verspüren, ist dies kein Grund, einen „Notfall“ anzunehmen. Sind Sie gerade an einem Rastplatz vorbeigefahren, dürfen Sie nicht rückwärtsfahren, um die Ausfahrt zu erreichen. Um derartige Probleme zu vermeiden, bleibt nur, frühzeitig und in regelmäßigen Abständen Rastplätze anzufahren und eventuell auftretende Bedürfnisse zu erledigen. Sie müssen also alles unternehmen, um derartige Situationen zu vermeiden.
Es empfiehlt sich nicht, das Auto zu verlassen und den Standstreifen für den Toilettengang zu missbrauchen. „Wildpinklern“ droht ein Bußgeld von bis zu 100 Euro. Der Standstreifen darf lediglich als zusätzlicher Fahrstreifen genutzt werden, wenn die Polizei in Extremfällen die Nutzung ausdrücklich erlaubt. Zudem darf der Platz auf dem Standstreifen genutzt werden, um notdürftig Platz für eine Rettungsgasse zu machen.
Rettungsgasse ist im Stau Pflicht
Stehen Sie im Stau, ist immer eine Rettungsgasse freizuhalten. Stockt der Verkehr, empfiehlt sich, frühzeitig an den Rand des Fahrstreifens zu fahren. Kommt es zum Stillstand, fehlt oft der Platz, um auszuweichen. Bei zwei Fahrstreifen ist die Gasse in der Mitte freizuhalten, bei drei oder mehr Fahrstreifen zwischen dem ganz linken und dem benachbarten. Bei Verstößen droht ein Verwarnungsgeld von 20 Euro.
Wie hoch ist die Strafe, wenn das Auto im Stau verlassen wird?
Steigen Sie im Stau unberechtigterweise aus dem Auto aus, riskieren Sie ein Verwarnungsgeld von 10 Euro. In Extremfällen, beispielsweise bei einer andauernden Vollsperrung und großer Hitze, wird die Polizei sicherlich Verständnis haben und auf Verwarnungsgelder verzichten.
Wie lange dauert eine Vollsperrung?
Eine Vollsperrung dauert so lange, wie es braucht, um die damit verbundene Gefahrensituation zu bereinigen. Oft wird es so sein, dass Sie im Stau stehen und keinerlei Information darüber haben, warum die Autobahn gesperrt ist. Bestenfalls hören Sie im Verkehrsfunk, was passiert ist und können einschätzen, wie lange Sie voraussichtlich im Stau ausharren müssen.
In Extremfällen wird die Polizei versuchen, den Verkehr rückwärtsfahren zu lassen, so dass die Autofahrer Gelegenheit haben, die Autobahn oder Kraftfahrstraße an der nächstmöglichen rückwärts gelegenen Ausfahrt zu verlassen. Ohne die polizeiliche Anordnung dürfen Sie aber keinesfalls rückwärtsfahren (§ 18 Abs. VII StVO).
Alles in allem
Auch wenn sich Staus auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen oft überraschend bilden, ist die beste Vorsorge gegen Stau, dass Sie sich frühzeitig informieren, wo mit Stau zu rechnen ist. Haben Sie sich dennoch bewusst oder unbewusst, freiwillig oder zwanghaft, verkehrswidrig verhalten und ein Verwarnungsgeld oder gar Bußgeld aufgebrummt bekommen, bleibt es Ihr gutes Recht, sich zu informieren und im Zweifel anwaltlich beraten zu lassen. Mit der kompetenten anwaltlichen Beratung vermeiden Sie, dass Sie gutes Geld schlechtem Geld hinterherwerfen, aber auch, dass Sie ein unrechtmäßig auferlegtes Verwarnungsgeld oder Bußgeld nicht bezahlen müssen.