Mit SUV bei Rot über die Kreuzung gefahren
Der Fahrer eines eines „Sport Utility Vehicle“ (SUV, Marke BMW) war bei Rot über eine Ampel gefahren, die bereits länger als 1,1 Sekunden auf Rot stand. Der Verkehrsverstoß wurde mittels einer fest installierten Messäule registriert. Auf dem ersten Foto wurde die Rotzeit mit 1,52 Sekunden und auf dem zweiten Foto mit 2,15 Sekunden angezeigt. Das Messgerät berücksichtigt dann automatisiert eine Toleranz, so dass eine Rotzeit von 1,1 Sekunden verbleibt. Aus dem Messprotokoll ergab sich, dass das Gerät geeicht war und die Messung fehlerfrei erfolgte. Zu einem Unfall kam es dabei nicht. Das Amtsgericht Frankfurt (Urteil v. 3.6.2022, Az. 974 OWi 533 Js 18474/22) sah Anlass, die von der Bußgeldbehörde verhängte Regelgeldbuße von 200 EUR auf 350 EUR zu erhöhen.
Als Grund führte das Amtsgericht die erhöhte Betriebsgefahr eines derartigen SUV an. Das Fahrzeug weise eine kastenförmige Bauweise und eine erhöhte Frontpartie sowie eine größere Bodenfreiheit aus. Gegenüber einem Pkw üblicher Bauweise erhöhe sich die Betriebsgefahr im Straßenverkehr. Dadurch steige die abstrakte Gefährdung und damit das Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer.
Dies gelte insbesondere im Hinblick auf eine Verkehrszeichenanlage, die den Schutz des querenden Verkehrs vor einer Kollision im Kreuzungsbereich bezwecke. Gerade aufgrund der größeren abstrakten Gefährdung stelle der begangene Rotlichtverstoß einen schwerwiegenderen Verstoß als im Normalfall dar. Er weiche von den gewöhnlichen Tatbeständen ab, so dass gerechtfertigt erschien, die Regelgeldbuße zu erhöhen. Bei der Festsetzung des höheren Bußgeldes berücksichtigte das Gericht mehrere Voreintragungen des Fahrers im Fahreignungsregister.
Bußgeld und Fahrverbot
Über die Geldbuße hinaus verhängte das Amtsgericht ein Fahrverbot von einem Monat. Es sei davon auszugehen, dass der Fahrer unter grober Verletzung der Pflichten eines Fahrzeugführers gehandelt habe (§ 4 Abs. I S. 1 Nr. 3 BKatV). Wegen der Umstände hielt es das Gericht nicht für geboten, trotz der im Gesetz vorgesehenen Option, auf die Verhängung eines Fahrverbotes zu verzichten. Dem Fahrer kam immerhin zugute, dass in den letzten zwei Jahren vor dem Verkehrsverstoß kein Fahrverbot gegen ihn verhängt wurde. Deshalb wurde das Fahrverbot erst wirksam, nachdem er den Führerschein nach Rechtskraft der Entscheidung in amtliche Verwahrung gegeben hatte, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Gerichtsentscheidungen über Verstöße mit SUV
Als Fahrer eines SUV könnten Sie vermuten, dass das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt eine Ausnahmeentscheidung darstellt. Allerdings hat auch das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 30.09.1996, Az. 6 U 63/96, siehe NZV 1997, 230) eine ähnliche Entscheidung getroffen. Auch in diesem Urteil wurde auf die kastenförmige Bauweise und den Frontbügel eines Geländewagens (Opel Frontera) abgestellt, der gegenüber Pkw üblicher Bauweise eine erhöhte Betriebsgefahr darstelle und das Verletzungsrisiko bei einer Kollision mit Personen erhöhe. In diesem Fall hatte der Fahrer einen Unfall verursacht. Dabei kam eine elf Jahre alte Radfahrerin zu Fall und erlitt einen Unterschenkelbruch sowie einen abgebrochenen Schneidezahn.
Der Fahrer sei in der verkehrsberuhigten Zone deutlich zu schnell gefahren und habe seine Pflichten im Straßenverkehr schuldhaft verletzt. Nach den Feststellungen des einbezogenen Sachverständigen wäre die Radfahrerin von der abgeflachten und gerundeten Vorderfront eines normalen Pkw üblicher Bauweise abgewiesen worden. Größere Schäden wären mit Wahrscheinlichkeit vermieden worden. Die kastenförmige Bauweise des SUV-Fahrzeuges des verurteilten Fahrers habe genau diese Abweisung des Körpers verhindert und den Schadensumfang wesentlich mitbestimmt und erhöht.
Das Gericht verurteilte den Fahrer ungeachtet seiner bußgeldrechtlichen Verantwortung zu einem hohen vierstelligen Schmerzensgeld und stellte die Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Zukunftsschäden fest.
Wie sind diese Entscheidungen einzuordnen?
Das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt ist „nur“ das Urteil des Amtsgerichts. Bei den Amtsgerichten entscheiden Einzelrichterinnen und -richter. Als Fahrer eines SUV könnten Sie unterstellen, dass der betreffende Richter oder die betreffende Richterin eine persönliche Abneigung gegen SUV und gegen die Fahrer solcher Fahrzeuge hegt und / oder selbst vielleicht bevorzugt als Radfahrer unterwegs ist und ein besonderes Schutzbedürfnis beansprucht.
Ungeachtet derartiger subjektiver Einschätzungen ist festzustellen, dass auch das Oberlandesgericht Hamm in der höheren Instanz ähnlich entschieden hat und das Amtsgericht Frankfurt auf der Linie dieser Rechtsprechung liegt. Beim OLG Hamm kam hinzu, dass der Fahrer sich einen erheblichen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung vorwerfen lassen musste und genau dadurch einen Unfall mit Personenschaden verursacht hatte. Im Fall des AG Frankfurt kann es nicht zu einem Unfall, so dass man sagen könnte, man könne beide Urteile nicht unmittelbar miteinander vergleichen.
Dennoch ist bei objektiver Betrachtungsweise nicht zu verkennen, dass ein SUV aufgrund seiner Bauweise ein abstrakt höheres Gefährdungspotenzial darstellt als beispielsweise ein kleiner Smart oder ein vergleichbares Fahrzeug. Als Fahrer eines solchen SUV sollten Sie sich Ihrer besonderen Verantwortung bewusst sein und Ihre Fahrweise an das Gefährdungspotenzial Ihres Fahrzeuges anpassen. Je besser Ihr Fahrzeug technisch aufgerüstet ist, desto schwächer ist die Position anderer Verkehrsteilnehmenden.
2021 kamen bei Verkehrsunfällen in Deutschland 2.562 Menschen ums Leben. Die meisten Unfälle mit Personenschaden eigneten sich mit 68 % in Ortschaften. 29 % der bei Kollisionen im Straßenverkehr getöteten Verkehrsteilnehmer kamen innerorts ums Leben. Auch wenn die Zahl der Verkehrstoten damit weiter sinkt, ist die immer noch hohe Zahl von Toten zu hoch.
Gerade im Hinblick auf das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im Straßenverkehr ist es unabdingbar, sich so zu verhalten, dass andere nicht gefährdet oder geschädigt werden. Beanspruchen Sie mit Ihrem SUV einen besonderen Fahrkomfort und vielleicht ein besonderes Fahrerlebnis, obliegt Ihnen ein besonderes Maß an Rücksichtnahme.
Was ist ein SUV?
Ansatzpunkt einer Kritik kann sein, dass nicht definiert ist, wann ein Fahrzeug ein SUV ist und aufgrund seiner Bauweise eine abstrakt erhöhte Gefährdung im Straßenverkehr darstellt. So könnte auch der Stoßfänger an einem kleinen Fahrzeug eine abstrakt erhöhte Gefährdung darstellen. Umgekehrt muss nicht jedes SUV so konstruiert sein, dass es so wesentlich von der üblichen Bauweise abweicht, dass sich daraus ein höheres Gefährdungspotenzial rechtfertigen lässt.
So gibt es die
- SUV Langversion,
- SUV Sport,
- Crossover,
- SUV Kompakt,
- aber auch die SUV Mini Klasse,
- Mittelklasse
- und Oberklasse.
Auch ist der SUV nicht mit einem Geländewagen gleichzusetzen. Zwar sind manche SUV auch geländegängig, aber noch lange keine „echten“ Offroader (Quelle und weitere Details siehe suv-cars.de).
Insoweit könnten sich ungeachtet der Rechtsprechung des Amtsgerichts Frankfurt oder Oberlandesgerichts Hamm Ansatzpunkte ergeben, im konkreten Fall im Hinblick auf die Unfallbeteiligung eines SUV oder einen Verkehrsverstoß durch einen SUV einen Bußgeldbescheid zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als es darauf ankommt, um welche Art von Verkehrsverstoß es sich handelt und wie schwerwiegend der Verstoß im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial für andere Verkehrsteilnehmer einzuschätzen ist.
Was tun, wenn Sie als SUV-Fahrer mit Bußgeld und Fahrverbot konfrontiert werden?
Wird Ihnen von der Bußgeldbehörde ein Bußgeldbescheid zugestellt, haben Sie das Recht, Einspruch einzulegen. Wird dem Einspruch von der Bußgeldbehörde stattgegeben, wird der Bußgeldbescheid überprüft oder bestenfalls zurückgenommen. Gibt die Bußgeldbehörde Ihrem Einspruch nicht statt, bleibt die Möglichkeit, das Bußgeld und ein eventuelles Fahrverbot gerichtlich überprüfen zu lassen.
Gegen den Bußgeldbescheid können Sie innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung Einspruch einlegen. Ihr Einspruch muss innerhalb dieser Frist bei der Bußgeldbehörde eingegangen sein. Die Einspruchsfrist beginnt mit der Zustellung des Bußgeldbescheids durch die Post mit Zustellungsurkunde.
Doch Vorsicht: Überlegen Sie genau, ob Sie gegen einen Bußgeldbescheid tatsächlich Einspruch erheben. Kommt die Bußgeldbehörde oder das Amtsgericht zu der Einschätzung, dass Ihr Fehlverhalten im Straßenverkehr schwerwiegender war, als im Bußgeldbescheid festgestellt wurde, müssen Sie mit einer Entscheidung rechnen, die noch nachteiliger ist als die, die mit dem Bußgeldbescheid verhängt wurde. Sie müssen mit einer höheren Geldstrafe oder sogar (weiteren) Punkten in Flensburg sowie einem (zusätzlichen) Fahrverbot rechnen. Auch der Fahrer im Fall des Amtsgerichts Frankfurt machte diese Erfahrung, da das Amtsgericht die Regelgeldbuße um 150 EUR auf 350 EUR erhöhte und zusätzlich ein Fahrverbot von einem Monat verhängte.
Beurteilung des Bußgeldbescheides nicht ohne Akteneinsicht
Autofahrende regieren naturgemäß sehr emotional, wenn sie wegen eines Verkehrsverstoßes angehört werden und einen Bußgeldbescheid erhalten. Viele fühlen sich befleißigt, sofort dazu Stellung zu nehmen, den Tatbestand anzuzweifeln oder mit irgendwelchen Begründungen zu rechtfertigen.
Sind Sie mit der Beurteilung Ihres Verkehrsverstoßes nicht einverstanden, ist es eine dringende Empfehlung, dass Sie sich zunächst nicht äußern und stattdessen einen im Verkehrsrecht kompetenten Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin beauftragen. Ihr Anwalt wird bei der Bußgeldbehörde die Bußgeldakte anfordern und Akteneinsicht nehmen. Erst danach lässt sich zuverlässig beurteilen, ob es wirklich zweckmäßig ist, gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen und darüber hinaus gerichtlich dagegen vorzugehen.
Alles in allem
Die anwaltliche Einschätzung der Gegebenheiten kann Sie vor einer unüberlegten, oft emotional begründeten Beurteilung bewahren. Lässt sich Ihre Einschätzung des Verkehrsverstoßes ausweislich des Akteninhalts nicht nachvollziehen, sparen Sie sich Geld und Mühe, wenn Sie das Verfahren mangels Erfolgsaussichten nicht weiter betreiben. Oder umgekehrt: Gibt es gute Aussichten, den Bußgeldbescheid anzugreifen, kann Ihr Rechtsanwalt vor dem Amtsgericht möglicherweise erreichen, dass der Bußgeldbescheid bestenfalls aufgehoben oder abgemildert wird. Vor allem, wenn es um ein Fahrverbot geht, kann das Ziel darin bestehen, in begründeten Fällen ausnahmsweise ein höheres Bußgeld zu akzeptieren und das Fahrverbot zu vermeiden.